Während die Mutter in der Früh mit extremen Bauchschmerzen in den Tag startet, da sie eine weitreichende Entscheidung, vor der sie sich lange gedrückt hat, verkünden muss, geht es ihr im Laufe des Vormittags ganz wunderbar: Erst erhält sie von dem Adressaten der Entscheidung die Bekräftigung ihres Entschlusses, dass sie das Richtige tut und ist bereits zu diesem Zeitpunkt zu Tränen gerührt. Keine Minute später bekommt sie von einem für sie sehr wertvollen Menschen eine Überraschung, die ihr dann den Rest gibt und das Pipi in die Augen treibt.

Außerdem ist es Freitag, die Sonne scheint und es ist warm genug, um endlich wieder auf dem Balkon zu arbeiten und so dem Geräuschpegel der Kinder zu entfliehen.

Der Entschluss steht also fest: Heute kann die Welt untergehen, ihr geht es gut.

Ob die Kinder das genauso sehen werden, wenn sie aufwachen und aus ihren Höhlen gekrochen kommen, ist eine ganz andere Sache.

Vormittags sieht es jedoch gut aus. Das Tochterkind sitzt fröhlich bei Kakao-Müsli am Tisch, ihrem Bruder zurufend, er möge doch bitte nicht ohne sie das Spielen anfangen, das sei unfair. Dass der eigentlich seine Schulaufgaben erledigen soll, wird von allen ignoriert.

Der Sohn, fleißig seine Aufgaben auf die Seite schiebend, befiehlt seiner Alexa fröhlich Happy-Laune-Pop zu spielen. Gute Laune also auch auf der Seite der Kinder.

Plötzlich fällt dem Kindergartenkind ein, dass ein Freund heute Geburtstag hat. Vorbei ist es mit der guten Laune, denn es ist ganz fürchterlich dolle dramatisch, da die Mutter gestern erklärt hat, dass der Junge seinen Geburtstag momentan nicht mit seinen Freunden feiern darf, weil die ihn ja nicht besuchen dürfen. Nicht mal am Geburtstag! Schnell ist daher aus einem neidischen „Mein Freund hat es gut, der hat morgen Geburtstag!“ ein panisches „Aber ich darf meine Freunde schon zu meinem Geburtstag einladen, oder Mami?“ geworden. Da Gretel ein mitfühlender Mensch ist, erinnert sie sich daran, dass sie ihrem Freund unbedingt eine Sprachnachricht schicken muss. Krumm und schief, dafür aber wahnsinnig laut und enthusiastisch singt sie „Happy birthday“, ihr Bruder steigt mit ein. Die Mutter lässt das Singen lieber, der Junge scheint ihr schon gestraft genug.

Später, nach getaner Arbeit, natürlich lediglich auf Seiten der Mutter, denn Sohnemann hat immer noch nichts als Chaos verrichtet, geht es an die frische Luft. Sich fröhlich als „Schrumpfkopf“ und „Mutti, Mutti“ beschimpfend wandern die drei im Sonnenschein übers Feld. Die Kinder erfinden eine Geheimsprache, der Wind ärgert das kleine Mädchen, indem es immer wieder das Cap wegweht und sie hinterherrennen muss und der Junge erzählt Witze vom Toilettenmonster.

Was sich lustig anhört, war anstrengend.

Denn beide Kinder waren stinkig. Hänsel, weil er sich nicht den Berg runterkugeln durfte. Gretel, weil die Mutter, dreist wie sie ist, nach nur zwanzig Minuten unterbunden hat, dass sie weiterhin aus vollster Kehle und ohne Pause alles und jeden mit „eineinheit Meter“ anbrüllt.

Beide gemeinsam waren pissed, weil sie sich weder gegenseitig in die riesigen Pfützen schmeißen noch die Mutter verkloppen durften.

Außerdem ist die Mutter volle Kanne dumm, denn sie versteht die kindliche Geheimsprache nicht richtig. Niemals haben sie gesagt, dass sie ganz brav aufräumen werden, sobald sie wieder zu Hause sind und danach gleich ins Bett gehen würden. Natürlich nicht, wie konnte es nur zu diesem Übersetzungsfehler kommen.

Dass der Spaziergang dann beim örtlichen Drogenhändler endete, wundert niemanden. Ausgestattet mit ausreichend Milch für den morgendlichen Kaffee- und Kakaodurst am Wochenende sowie etwa achttausend Kalorien in Form von Backzutaten und (immerhin nach wie vor noch alkoholfreiem) Bier wird der Dealer verlassen und nach Hause gestapft.

Fix und alle lässt sich die Mutter auf die Couch fallen, der Tag ist für sie abgeschlossen. Es ist ja auch schon halb fünf nachmittags.

Tochterkind verschwindet in der Küche, räumt dort auf und fordert die Mutter freudestrahlend auf, nun, da sie Platz gemacht hat, endlich die versprochenen Kekse mit ihr zu backen.

Der Gesichtsausdruck der Mutter bedeutet, nicht nur in Geheimsprache, „lieber Gott, lass den Kindergarten und die Schule bitte schnellstmöglich wieder öffnen“….


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