Es kann von Glück gesprochen werden, dass die Geschichte nicht zu einem Mordfall geworden ist.

Die Mutter erwacht an diesem sonnigen Samstagmorgen, öffnet die Augen und guckt in das strahlende Gesicht ihrer Tochter. „Guten Morgen, Mami. Möchtest du noch weiterschlafen?“ – Gute Erziehung ist so wichtig, wie sich in diesem Moment zeigt. Die Mutter verneint, daher gibt das Mädchen bei ihrem Bruder einen Kaffee in Auftrag. Die Mutter selber nimmt das Handy zur Hand, um festzustellen, dass es so gar nicht ihre Zeit ist. Gedankenverloren daddelt sie an dem Gerät herum, noch lange nachdem der Kaffee bereits geliefert worden ist.

Plötzlich, sie kann es kaum glauben, eine Videochat-Anfrage! Ernsthaft jetzt? Es ist grade mal kurz nach neun Uhr, in der Früh! Da scheint jemand nicht so sehr an seinem Leben zu hängen. Nach kurzem Zögern nimmt sie den Anruf dennoch an.

Fröhlich und ekelhaft gut gelaunt wird gemeckert, dass der Anrufer lediglich das Kissen, nicht aber die Mutter auf dem Video sehen kann. Da kennt er sie schon so lange, hat auch schon einiges in Bezug auf „nicht ihre Zeit“ mit ihr erleben dürfen und dann wundert er sich tatsächlich darüber? Lieber sollte er sich freuen, dass sie den Anruf überhaupt angenommen hat und auch noch gut gelaunt plaudert. Die Mutter ist sich sicher, dass der Anrufer gar nicht weiß, nicht einmal eine Ahnung hat, was er für ein Glück bei dieser Aktion gehabt hat.

Nach drei weiteren Kaffee, ganz in Ruhe und selbstverständlich zubereitet und serviert vom Kaffeesklaven des Hauses, und einem anschließenden Online-Battle zwischen der Mutter und ähnlich geistig verwirrten Mädels in Einzelhaft, wer denn die meisten Ohrwürmer kennt, kommt der erlösende Anruf. Das Fahrrad von Gretel ist repariert. Gestern hat das Mädchen noch wutentbrannt festgestellt, dass es ziemlich dreist vom Opa ist, dass er das Ersatzteil für ihr Fahrrad nicht zu Hause auf Lager hat, ist sie heute glücklich, den allerbesten Opa auf der ganzen Welt zu haben.

Auf geht’s, erst das Radl abholen und dann Energie rauslassen. Wie es der Zufall so möchte, treffen die drei auf dem Weg zum Radl die zum besten Opa der Welt zugehörige Oma. Schon wieder. Ein kurzer Smalltalk und schon wurden die drei wieder an all die schlimmen Dinge der Welt erinnert. Das Radfahren ist nun also umso nötiger.

Zweieinhalb Stunden später hat das Radeln die Mutter mehrere Dinge gelehrt: Sie kennt sich in ihrer Hood nicht ansatzweise so gut aus, wie sie dachte – radeln ohne Biergarten oder Eisdiele als Ziel ist alleine schon komisch, mit Kindern aber der Horror – herausgesprungene Ketten am Mountainbike des Sohnes sind innerhalb weniger Sekunden wieder drin – Radlfahrer nehmen sehr ungerne Rücksicht auf im Moment überholende Kindergartenkinder und wundern sich dann, wenn sie von Mutter und/oder Tochter angepöbelt werden – perfektionierte Präpubertierlaune wird nicht durch eine gemütliche Radlfahrt mit Mutter und Schwester gebessert. Aber am wichtigsten: Das Bier im Anschluss schmeckt besonders gut, wenn Mutter alleine auf dem Balkon sitzt und die Kinder währenddessen das Geschirr abspülen.


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