Bis tief in die Nacht laufen die Intrigen und Gang-Kãmpfe in der amerikanischen Vorstadt.

Morgens, wahrscheinlich wäre vormittags die passendere Bezeichnung, wird die Mutter sehr unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ein herabstürzendes Stück Eis aus ihrem Tiefkühler verursacht das weckende Geräusch. Sie sitzt einen Augenblick aufrecht im Bett, bevor sie in die Küche stürmt.

Nachdem sie die nasse, unglaublich kalte Sauerei entfernt und den Kühlschrank wieder ans Stromnetz angeschlossen hat, beauftragt sie ihren liebsten Mitbewohner, ihr eine Tasse Kaffee zuzubereiten. Bereitwillig mahlt die Maschine erst die Bohnen, um im Anschluss heißes Wasser darüber laufen zu lassen und mit dem Ergebnis die Mutter sehr glücklich zu machen.

Die Mutter ist müde. Das war eindeutig zu wenig Schlaf. Wie schon seit Wochen. Noch einmal schlafen gehen möchte sie jedoch nicht. Stattdessen setzt sie sich an ihren favorisierten Platz.

Draußen ist es sehr sommerlich. Schon am Vormittag. Schon im Schatten ihres Balkons. Sie überlegt, wie die den Tag verbringen wird. Abgesehen vom aufgetaute Lebensmittel zum Hausmüll zu bringen und das Schnitzel zu essen.

Sie möchte schöne Sonnenuntergangsfotos am Wasser. Mehrere großartige Seen in der Umgebung kommen dafür in Frage. Vielleicht fährt sie heute zu einem von ihnen.

Ob sie sich heute auf ihr Fahrrad setzen wird, ist unklar. Schon jetzt ist die Temperatur nichts für sie. Allerdings müsste sie mal wieder unter Menschen, denkt sie.

Und damit es nicht nur Gedanken bleiben, verabredet sie sich. Zum an den See fahren. Ob das eine gute Idee bleiben wird – wegen der Menschenanzahl dort, nicht wegen der Begleitung – bezweifelt sie bereits im Moment der Vereinbarung.

Macht aber nichts. Sie duscht, packt ihre am-See-lieg-Sachen und fährt los, nachdem sie einen weiteren Kaffee getrunken und sich über Hänsels Nachricht gefreut hat.

Erstaunlich schnell kommt sie durch. Weniger Stau als erwartet, zumindest auf ihrer Strecke. Ihre Begleitung hat nicht so viel Glück.

Sie spazieren zum See und finden ein schattiges Plätzchen. Über Gott und die Welt plaudernd verrinnt die Zeit. Als die Mutter sich entschließt, etwas zu essen zu holen, hat der Kiosk bereits geschlossen. Muss sie eben hungrig bleiben.

Die beiden packen ihre Sachen und gehen ein Stück zurück. Zurück zu der Stelle, von der aus sie wunderbare Bilder des Sonnenuntergangs bekommen. Gefühlte einhundertfünfzig Bilder nimmt die Mutter mit Kamera und Handy auf, ihre Begleitung vielleicht drei.

Noch lange, nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, sitzen sie dort und reden. Spaß haben sie und warm genug ist es ebenfalls.

Der Weg zurück zu den Autos ist tiefschwarz. Einen schönen Tag hatten sie, da sind sie sich einig.

Als die Mutter zu Hause ankommt, macht sie sich noch das Schnitzel. Dazu ein Bier und dann geht’s ab in die amerikanische Vorstadt.


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