Auch der heutige Tag fängt viel zu früh an. Immerhin scheint die Sonne und so reift der Plan, am Nachmittag eine ausgiebige Radltour zu unternehmen. Zumindest sieht das die Mutter so, die Kinder werden später jammern, dass das gemein ist und sie viel lieber zu Hause bleiben möchten, schließlich mussten sie gestern schon raus. Aber es kommt eh anders.

Der Arbeitstag der Mutter ist anstrengend. Noch anstrengender als sonst. Daher muss Hänsel mehr Kaffee machen, mehr als sonst.
Er meckert. Mehr als sonst. Und er isst. Mehr als sonst. Nur Schulsachen erledigt er genauso keine wie sonst auch.

Kurz vor dem langersehnten und mehr als verdienten Feierabend startet der Körper der Mutter die Torpedierung sämtlicher Nachmittagspläne. Plötzlich und mit einem hämischen Grinsen erscheint die Migräne des Todes. Keine Tabletten können sie vertreiben und die kurze Spazierrunde lindert die Begleit-Übelkeit auch nur minimal.

Auf dem Rückweg der Runde allerdings entdecken die drei einen DHL-Wagen. „Maaaaamaaaaaaaa, da schau doch! Der Postwagen! Der hat unseren Fernseher!“ Jap, danke, eure Mutter hat ja keine Kopfschmerzen, brüllt nur weiter.

Da hat Alexa vorhin, als sie fröhlich die bestellte Lieferung für heute ankündigte, doch nicht etwa die Wahrheit gesagt?

Aufgeregt rollern die Kinder schnell heim, die Mutter schleicht leidend hinterher.

Im Briefkasten kein Zettel, vor der Tür kein Paket und vom Lieferwagen nach einer quälenden Stunde Wartezeit nichts mehr zu sehen.

Die Kinder sind am Boden zerstört und spekulieren wild, was der Bote wohl mit dem TV-Gerät angestellt hat. Fürchterlich gemein ist es, dass er es ihnen nicht endlich bringt, wo sie doch soooooooo neugierig sind, wie es aussieht.

Deprimiert, aber immer noch meckernd verschwinden sie im Kinderzimmer und schimpfen Alexa. Die erträgt es tapfer und spielt einfach die Geschichte weiter ab.

Währenddessen leidet die Mutter weiter auf der Couch. Kopfschmerzen, Übelkeit, Serie gestern zu Ende geguckt, keiner hat ihr Frühstück gemacht, niemand bemitleidet sie, Weltschmerz. Alles ist doof. Und Schokolade ist auch keine mehr da. Ob sie Hänsel losschicken soll, um welche zu holen? Die Hose schreit lauthals nein, aber was weiß die schon?

Sie entscheidet sich tatsächlich gegen die Schokolade. Aber nicht, weil die Hose den Verzehr als problematisch erachten würde, sondern weil sie schlichtweg zu faul ist, nach Hänsel zu rufen und ihm den Auftrag zu erteilen.

Aber nachher wird er Abendessen machen. Für sich und seine Schwester. Seiner Mutter wird er ein bis siebzehn Bier öffnen müssen. Sie wird dennoch bei vollem Bewusstsein sein, ist ja alkoholfrei. Verdammt.

Sie überlegt, Hänsel doch los zu schicken. Aber er ist zehn, er bekommt keinen Alkohol. Vielleicht alkoholische Pralinen?

Sie ist zu faul. Zieht sich die Decke hoch bis über die Augen, kuschelt sich in die Kissen und schläft.

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