Der Tag beginnt erschreckend früh. Obwohl auch Hänsel schon wach ist, genießt die Mutter noch ein wenig einsame Ruhe. Ohne Kaffee, wie sie etwas später feststellt und welchen ordert. Mit einem genervten „Was ist denn?“ begrüßt ihr Erstgeborener sie liebevoll. Aber nicht, um Kaffee zu machen, sondern um weiter in seinem Zimmer seiner schlechten Laune zu frönen.

Als wenig später auch Gretel erwacht, hat sie klare Vorstellungen, was jetzt in diesem Moment zu tun ist. Die Augen noch gar nicht richtig geöffnet, verlangt sie nach ihrem Bruder, den sie jetzt auf der Stelle knutschen will. Der ist von dem diesbezüglichen Anruf allerdings so dermaßen genervt, dass er seine Alexa auf stumm schaltet. Aber Mutter und Tochter finden das doof. Also drangsalieren sie ihn und nerven weiter. Gretel möchte mit ihrem Brudi kuscheln, die Mutter möchte Kaffee und dann das allmorgendliche Familienkuscheln. Da muss er durch. Und das gefälligst gut gelaunt. Hänsel sieht das anders und möchte bitte wieder in sein Zimmer gehen. Darf er aber nicht. Nie wieder. Begeisterung sieht anders aus.

Nach Kaffee und Familienkuscheln beginnt das neue Projekt „Mutter fit & schlank machen“. Nachdem gestern schon ein Testlauf stattfand, folgt heute die nächste Runde. Gretel mit Roller und Hänsel joggt mit der Mutter. Also vor ihr. Weit vor ihr. Die Mutter möchte sich auf den Boden werfen und weinen.

Nach dieser katastrophalen Laufrunde versorgt die Mutter ihre Kinder mit dem gewünschten Bananenshake. Vorbildlich mit Glasstrohhalm, weniger vorbildlich aus dem Plastikbecher, wird bei Sonnenschein auf dem Balkon gefrühstückt, bevor die Kinder in ihr Zimmer verschwinden und die Mutter mit ihrem Kaffee allein in der Sonne zurücklassen.

Plötzlich stürmt Gretel nach draußen. Sie möchte der Mutter unbedingt die Füße massieren. Soll sie mal machen. Anschließend wünscht sie sich, der Mutter noch einen Kaffee machen zu dürfen. Jessas, was ist denn mit diesem Kind los?

Ob das die Vorfreude ist, weil sie den Nachmittag nach langer Wartezeit mal wieder mit dem Vater verbringen darf? Ob es der gedankliche Ausdruck eines kindlichen Ich-liebe-dich ist? Was auch immer dahinter steckt, die Mutter ist stolz auf ihr kleines Mädchen.

Auf den Jungen auch, denn der ist schon in heller Vorfreude, dass er am morgigen Tag endlich zum Wertstoffhof darf. So sehr er diese selbst ausgesuchte Aufgabe in den letzten Monaten auch gehasst hat, so sehr freut er sich nun auf zwanzig Minuten Ruhe vor seinen Mädels. Und die Mutter freut sich auf Platz in der Küche.

Aber jetzt erst einmal auf den kinderfreien Nachmittag. Was soll sie nur als erstes tun? Schlafen? Entspannt auf dem Balkon sitzen und Sekt trinken? Essen? Sie entscheidet sich fürs Radeln. Ganz entspannt, ohne drüber nachdenken zu müssen, ob der Weg auch für Gretel zu fahren ist, ohne zu überlegen, ob es auch nicht zu weit ist, ohne Angst vor Gejammer haben zu müssen, dass es zu lang dauert, zu langweilig ist oder sonst irgendeine Unannehmlichkeit besteht.

Während die Mutter fröhlich vor sich hin radelt, darf der Vater Diskussionen führen. Die Kinder finden es nämlich gar nicht toll, dass er sie nur für ein paar Stunden holt und Gretel hat entschlossen angekündigt, das mit ihm zu klären. Das wird ein Spaß. Allerdings nicht für den Vater.

Als die Kinder, etwa eine Stunde nach der morgen sicherlich über einen fiesen Muskelkater jammernden, aber entspannten Mutter, wieder zu Hause eintrudeln, sind sie aufgeregt. Durcheinander erzählen sie der Mutter, was in den letzten drei Stunden passiert ist. Die Mutter sitzt währenddessen leicht fröstelnd auf dem inzwischen schattigen Balkon und lauscht den schönen Stimmen ihrer Kinder. „Was haben sie grade gesagt?“ denkt sie sich, verwirft den Gedanken aber schnell und nimmt noch einen Schluck von ihrem wohlverdienten post-Sport-Bier.

Dann schickt sie die Kinder zum Pizzamachen, worüber sich die beiden tatsächlich freuen. Dass sie sich nun eine gefühlte Ewigkeit streiten, wer was machen darf, ignoriert die Mutter und freut sich, die beiden nach dem Essen ins Bett zu schicken und selber ihre Serie weiterschauen zu können.

Und bis dahin trällern alle drei fröhlich mit Mark Forster „egal, was kommt, es wird gut sowieso“.

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