Nun also starten die drei, und alle anderen Eltern in Bayern, in deren Landkreisen der Inzidenzwert weit über 50 liegt, in den ersten Tag des neuen Lebens: Block- bzw. tageweise Anwesenheit in Schule und Betreuungseinrichtungen. Die offizielle Ansage lautet „Umsetzung erst einmal bis 30.10.“ – die Woche darauf sind Herbstferien. Inoffiziell sind sich die Eltern, und nicht nur die, sicher, dass es den Winter so weiter gehen wird. Mit Glück, anderenfalls werden die Einrichtungen wieder komplett geschlossen.

Was alleine die separierte Anwesenheit für die Arbeitgeber der Eltern bedeutet, wird heruntergespielt. Der Spagat, in den die Menschen mit Kindern nun erneut gedrängt werden, wird so dargestellt, dass die Eltern ihre Kinder ansonsten abschieben. Diese Vorwürfe kommen nun zu der Doppel- und Dreifachbelastung, erneut, hinzu.

Die Mutter ist bereits jetzt am Ende mit ihrer Kraft. Mit einem Kaffee in der Hand sorgt sie dafür, dass die Kinder sich für den Tag fertig machen. Heute dürfen noch beide gleichzeitig in Schule und Kindergarten. Ab morgen ist jeden Tag mindestens ein Kind zuhause.

Vom Vater hat sie nichts gehört, der hält sich – erneut – raus aus der Sache. Geht ihn ja nichts an, sind ja nur auch seine Kinder.

Seine Kinder vermissen ihn schon lang nicht mehr. Sie reden nicht über ihn und wollen auch nichts hören. Nach einem Papa-Wochenende fragen sie ebenfalls nicht. Bei den aktuellen Gesprächen, wie sie die Weihnachtstage verbringen könnten, fallen einige Namen, der des Vaters allerdings nicht.

Auch von den zugehörigen Großeltern haben weder Mutter noch Kinder etwas gehört. Da auch keine Ferienplanung vorliegt – vereinbart ist diese jeweils spätestens zum Start eines neues Schuljahres – plant die Mutter nun alleine. Immerhin ein Problem, das unabhängig von Corona herrscht.

Gretel möchte mit dem Fahrrad in den Kindergarten fahren. Hänsel muss erst zur zweiten Stunde in der Schule sein und wird dann ebenfalls radeln. Die Mutter wird heute sehr zeiteffizient arbeiten müssen und alle Dinge erledigen, die sie mit Kindern nicht vornehmen kann.

Stand jetzt wird sie auch in der nächsten Woche einen Tag haben, an dem beide gleichzeitig betreut werden. Ob das so bleibt, ist fraglich. Hänsel niest, Gretel hustet. Bei nassen fünf Grad Außentemperatur ganz normal, für die Einrichtungen derzeit aber ein Grund, das Kind nach Hause zu schicken.

Mittags hört die Mutter, wie die Tür aufgeschlossen wird. Hänsel tritt ein und der Mutter schießen Tränen in die Augen. Verzweifelt fragt sie ihren Sohn, warum er bereits jetzt zu Hause ist. Er erklärt, dass der Nachmittagsunterricht nicht stattfindet. Später wird sich herausstellen, dass er das falsch verstanden hat und in der Schule vermisst wurde.

Nachmittags holen sie Gretel gemeinsam ab und machen einen kleinen Ausflug zum See. Gretel möchte dort ihre Brotzeit naschen, Hänsel toben, die Mutter Fotos machen. Im Endeffekt ratscht die Mutter und die Kinder spielen. Die Ablenkung tut der Mutter sehr gut. Den Kindern ebenfalls.

Wieder zu Hause, hat der Alltag die drei wieder. Gretel flieht sich in die virtuelle Legowelt, Hänsel zum Sport und die Mutter starrt neben ihrer Tochter ins Leere.

Immerhin ist der Abbau von Überstunden für die Zeit bis zu den Ferien genehmigt, in den Ferien hat die Mutter Urlaub. Wie es im Anschluss weitergehen wird, bleibt abzuwarten.

Gretel kuschelt sich an ihre Mama und fragt neugierig, ob sie morgen noch in den Kindergarten darf. Puh, die Frage trifft die Mutter voller Wucht. Sie antwortet dem Mädchen, das sich anschließend glücklich wieder dem Fernseher zuwendet.

Die Mutter bereitet alles vor, damit Hänsel morgen früh in seinen ersten richtigen online-Unterricht starten kann. Sie selbst hat ihre Termine ebenfalls auf remote umgestellt und wird ihrem Sohn zur Seite stehen können. Freude sieht dennoch anders aus. Auf allen Seiten.

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