Abends erwischt die Mutter ihren Sohn dabei, wie er nach dem ins Bett gehen am Handy spielt. Kurzerhand wird das Gerät konfisziert. Das bereut sie um 0.55 Uhr, als sein Wecker neben ihr zu klingeln beginnt. Vollkommen verschlafen, sie war deutlich früher im Bett als am Vortag, macht sie diesen aus.

Schlaftrunken checkt sie vorher die Einstellung. Täglich um diese Uhrzeit lässt sich der Junge wecken. Später darauf angesprochen, weiß er von nichts.

Später ist drei Uhr. Der Nachbar klingelt Sturm. Es tropft von seiner Wohnzimmerdecke. Die Wohnzimmerdecke, die sich unter der Küche der Mutter befindet. Die Küche, in der die Monteure vor einer Woche die Spülmaschine angeschlossen haben.

Der Mutter zieht es den Kreislauf weg.

Nach dem Gespräch mit dem Nachbarn läuft sie in die Küche. Tatsächlich, trotz Handtüchern im Schrank ist alles nass.

Mitten in der Nacht kniet sie also, mit schmerzendem Knie und fehlendem Kreislauf, vor dem Wasserhahn und versucht, alles so gut wie möglich abzudichten. Als das nicht klappt, dreht sie den Haupthahn ab. Toilettenspülung, Händewaschen, Zähne putzen oder duschen wird sowieso überbewertet und fällt daher aus.

Mitten in ihrer Schimpftirade steht auf einmal Hänsel vor ihr. Auch er wurde, anders als von seinem gestellten Wecker, durch das Klingeln geweckt. Wie praktisch, dass der Junge morgen, also heute, im Home Schooling ist und daher dennoch ausschlafen kann.

Gretel schläft wie ein Baby. Die Mutter gibt der Kleinen ein Küsschen, ganz vorsichtig und behutsam, um das Mädchen nicht auch noch zu wecken.

Der Mutter laufen Tränen über das Gesicht. Sie ist nicht nur müde, ihr ist das Ganze auch zu viel. Um drei Uhr nachts und überhaupt.

Sie flieht ins New York der 2000er Jahre.

Es dauert lange, bis sie endlich wieder einschläft. Weniger lange dauert es, bis sie durch ein niedliches Tapsen erneut geweckt wird.

Gretel kommt zu ihr und kuschelt sich in die Arme ihrer Mutter. So können beide noch etwa eine Stunde schlafen.

Als der Wecker zum Aufstehen auffordert, ist die Mutter vollkommen erledigt. Ihre Augen bekommt sie nicht auf, aufstehen klappt noch viel weniger. Auch Gretel bittet darum, noch ein bisschen liegen bleiben zu dürfen.

Zu gerne würde die Mutter diesem Wunsch entsprechen und sich einfach zu ihrer Tochter legen. Die beiden Tage aber, die sie diese Woche in den Kindergarten darf, soll sie auch dort mit ihren Freunden verbringen. Das Mädchen weint.

Eine Ahnung hat die Mutter, was los ist mit ihrer Kleinen. Erst kürzlich haben sie ein Gespräch darüber geführt, dass Gretel noch keine richtigen Freunde im Kindergarten hat. Nun, da die Gruppen wechselweise kommen, sieht sie auch ihre alten Freunde nicht mal mehr auf dem Pausenhof.

Wie gerne würde die Mutter sich nun zusammen mit dem kleinen müden Häufchen wieder ins Bett kuscheln und erst aufwachen, wenn all der Wahnsinn vorüber ist. Stattdessen verspricht sie ihr, sie früh abzuholen.

Vormittags steht ein weiterer Nachbar vor der Tür. Er hat bereits einen Installationsbetrieb kontaktiert. Die Aussagen stimmen die Mutter nicht positiv. Zwar wird sich wohl die Versicherung dem Thema annehmen müssen, aber es deutet alles darauf hin, dass die Mutter die nächsten Monate mit dem Schaden und den daraus entstandenen Folgen beschäftigt sein wird.

Hänsel nimmt sie in den Arm. Er bringt ihr, ungefragt, einen Kaffee und geht anschließend einkaufen. Schokolade inklusive.

Diese wird direkt benötigt. Denn auch der Vater der Kinder stellt wieder einmal irrsinnige Anfragen. Auf die Idee, sich nach seinen Kindern zu erkundigen, kommt er dabei allerdings nicht. Eine Rückmeldung hält die Mutter daher für nicht relevant.

Stattdessen klärt sie kopfschüttelnd ob dieser Ignoranz einige offene Punkte ihrer Liste, bevor sie zur erstmöglichen Abholzeit gemeinsam mit Hänsel am Tor des Kindergartens steht.

Durch den Regen spazieren die drei zurück. Wieder im Warmen bekommt die Mutter ihren nächsten Kaffee. Sie checkt den aktuellen Inzidenzwert, nachdem nun der zweite Landkreis im Lockdown ist. 138. Sie eröffnet das Kuschelkino und erklärt den Tag am frühen Nachmittag bereits für beendet.

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