Aus dem kurzen Augenblick sind knapp zwei Stunden geworden. Die Kinder haben die Mutter in Ruhe schlafen lassen und die Zeit zum Chillen genutzt.

Das zahlt das Karma der Mutter heim. Immer noch völlig erledigt liegt sie auf der Couch. Der Abend ist geprägt von heißen Diskussionen, wie es in der kommenden Woche in Schulen und Kindergärten im Landkreis weitergeht.

Vor Kurzem fand der Schulgipfel statt. In diesem wurde beschlossen, dass der 3-Stufen-Plan, auf Grund dessen ab einem Inzidenzwert von 50 der die letzten drei Wochen gültige Schichtbetrieb in den Einrichtungen durchgeführt wurde, ungültig sei.

Das Gesundheitsamt soll künftig individuell entscheiden.

Die Mutter wartet also auf Informationen der beiden Einrichtungen ihrer Kinder.

Die Kinder. Die sollen eigentlich ruhig sein. Sie müssen noch nicht schlafen, aber toben und laut sein ist nicht mehr. Interessiert sie nur wenig.

Aber immerhin befinden sich beide noch wie geplant in Gretels Zimmer.

Morgens sind beide in ihren Zimmern. Sie hören Geschichte, lassen die Mutter aber weitestgehend schlafen.

Sie wacht mit einer guten Nachricht auf: Ab Montag sind beide Kinder wieder jeden Tag in ihren Einrichtungen.

Die Freude wird unterschiedlich aufgenommen. Während die Mutter sehr erfreut ist, hält sich die Begeisterung der Kinder in Grenzen. Hänsel hat keine Lust, jeden Tag früh aufzustehen. Gretel hat keine Lust auf das allmorgendliche Lernspiel. Arme Kinder. Grinsende Mutter.

Kurz gehen die beiden leidenden Menschleins spielen, bevor Hänsel zur Mutter kommt.

Die zwei führen ein intensives und emotionales Gespräch, an dessen Ende sich der Junge fest an seine Mutter schmiegt und so den Akku der beiden ein gutes Stück auftankt. Später kommt auch Gretel hinzu. Ein schöner Moment für alle.

Bei der Planung des Nachmittags sind sie jedoch wieder uneins. Gretel möchte raus, Hänsel nicht. Er ist sowieso mit dem Opa verabredet.

Die Entscheidung ist gefallen. Sie werden ihren Landkreis mit Inzidenzwert 240 verlassen und zum zwei Kilometer entfernten Skatepark spazieren. Zumindest die Mutter, die Kinder Rollern dorthin.

Angekommen, packt Gretel erst einmal ihre mitgebrachte Brotzeit aus. Hänsel übt seine Tricks. Die Mutter friert.

Aber sie hat letztens erst wieder ihr Wissen aufgefrischt, dass Kälte den Kalorienverbrauch erhöht. Und irgendwie existiert der Plan, die überflüssigen Kilos wieder in die Wüste, oder eben die Arktis, zu schicken, ja immer noch. Also hält sie tapfer durch.

Als es doch zu kalt wird, nicht nur der Mutter, machen sich die drei auf den Heimweg. Sie haben Hunger, wollen Schnitzel.

Doch erst wartet eine freudige Überraschung auf die Mutter. Von einer lieben Freundin befindet sich ein kleines Päckchen im Briefkasten, es soll ihr ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Dieses Ziel hat die Absenderin erreicht.

Auch Gretel freut sich sehr, ist doch ihr liebstes Tier darauf abgebildet. Sie liebt Einhörner so sehr, dass sie vorhin der Mutter mitgeteilt hat, dass sie den neu entdeckten Grabstein beim Steinmetz unbedingt haben möchte. Es waren ein Einhorn und ein Regenbogen eingearbeitet.

Die Aufforderung der Mutter, dass Gretel den Stein zwar hübsch finden darf, aber die nächsten Jahrzehnte nicht benötigen soll, teilt eine fremde – alte – Frau, die sie in diesem Moment überholen. Sie solle ihr Leben genießen, wünscht ihr diese.

Die Mutter ist heilfroh, dass Gretel in diesem Moment nichts unpassendes sagt, sondern mit einem fröhlichen „okaaaaaaahayyyyy“ weiterrollert.

Nun also liegt das Buch mit dem Einhorn drauf vor ihnen. Gretel findet es „voll blöd“, dass das für die Mutter und nicht für sie ist. Vorsichtig blättert sie die Seiten um und berichtet der kochenden Mutter, was sie sieht.

Nach dem Essen ist das Buch vergessen. Die Kinder räumen das Mädchenzimmer auf. Zumindest nennen sie das aktuelle Vorgehen dort so. Eigentlich möchten sie Kuschelkino machen, die Mutter hätte gerne endlich eine aufgeräumte Wohnung.

Dafür darf sie nun die Geschichte rund um den Enderman in Vollbeschallung mit anhören.

Dass das mit dem Kuschelkino heute noch was wird, bezweifelt die Frau. Macht aber nichts, auf ihrer Watchlist stehen noch zahlreiche Filme und Serien – langweilig wird ihr nicht werden. Den Kindern eventuell schon. Hm.


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