Und wieder einmal kommt alles anders als geplant.

Schon am Vorabend geht es Hänsel nicht gut. Die Mutter hat aber noch nichts in die Wege geleitet, außer der Oma den Kontakt zu ihm zu verbieten. Und das, so stellt es sich gleich raus, war auch gut so.

Denn auch die Nacht war für den Jungen nicht erholsam. Das hat die Mutter mitbekommen. Seine Klasse schreibt heute eine Schulaufgabe, auf die er sich intensiv vorbereitet hat. Trotz der Androhung der Lehrerin, diesen Test an einem Samstag nachschreiben zu müssen, bittet Hänsel darum, zuhause bleiben zu dürfen.

Die Mutter ahnt nichts gutes. Nachdem sie Gretel in den Kindergarten gebracht hat, fährt sie einkaufen. Mit einem über den Rand hinaus befüllten Einkaufswagen steht sie an der Kasse und zahlt einen horrenden Betrag. Vergessen hat sie dennoch einiges. Das ist typisch für sie und wird sie schon regeln.

Wieder zurück ruft Hänsel bei seinem Kinderarzt an. Dieser bittet den Jungen und dessen Mutter, nicht in die Praxis zu kommen. Sie mögen bitte zum Corona-Testzentrum fahren. Denn obwohl es sich um keine typischen Symptome handelt, besteht der Verdacht, dass es sich dennoch um Auswirkungen von SARS-CoV-2 handeln könne. Zumal die Symptome bei Kindern sich von denen der Erwachsenen unterscheiden können.

So greift die Mutter zum Telefon, sagt alle für heute vereinbarten Termine ab und setzt ihr sich nicht wohlfühlendes Kind ins Auto.

Zwanzig Minuten später kommen sie bei der ersten Teststation an. Die Adresse wurde ihr in der Arzt-Praxis genannt. Hier aber können sie Hänsel nicht testen. Denn eine Anmeldung ist hier nicht möglich, wie der freundliche Helfer ihnen mitteilt. Er nennt die zweite Adresse, zu der sich die beiden umgehend aufmachen.

Dort ist die Mutter schnell überfordert. Kurzerhand wird entschieden, dass auch sie getestet wird. Nicht wegen der Überforderung oder ihrer Haarfarbe, sondern der Nähe zum Symptomling.

Das erachtet sie als durchaus sinnvoll, wenn sie denn schon hier sind. Sie soll einen QR-Code scannen und sich dann online registrieren. Tut sie. Dann müsste sie eine Email erhalten, worüber sie ihren Sohn ebenfalls anmelden kann. Klappt nicht. Kein Wunder, denn der Kollege des informierenden Herren erklärt, dass der Code erneut gescannt werden muss.

Die beiden folgen den Anweisungen und nach etwa einer halben Stunde sind beide registriert.

Anschließend muss die Mutter – sie sind immer noch ungetestet – unterschreiben, dass sich Hänsel ab sofort in Quarantäne befindet. Und das bis mindestens zur Mitteilung des Testergebnisses.

Mitdenkend erkundigt sich die Frau, wie es sich denn mit ihr und Gretel, die sich aktuell noch im Kindergarten befindet, verhalten würde. Beide können tun und lassen, was sie möchten, lautet die Antwort.

Die Einschränkung folgt umgehend: Falls aber Hänsel positiv auf Covid-19 getestet werden sollte, ist Gretel ab diesem Zeitpunkt für nicht widerrufbare als Erstkontakt vierzehn Tage in Quarantäne und muss sich ebenfalls zum Test einfinden. Sollte das Ergebnis der Mutter bis dahin noch nicht vorliegen, hat auch sie sich als Erstkontakt bis zur Mitteilung in häusliche Quarantäne zu begeben.

Dass die Vorgehensweise moralisch nicht einfach ist, weiß der Helfer. Aber so sind die Regeln.

Durchschnittlich dauert es 48 Stunden, bis die Ergebnisse vorliegen. in etwa 49 Stunden schreibt der Junge eine weitere Schulaufgabe. Gemeinsam besprechen Mutter und Sohn, ob er nach Info des Negativ-Ergebnisses direkt in die Schule radeln dürfe. Sie warten nun erst einmal ab.

Der Test an sich ist nicht schlimm. Heldenhaft lässt die Mutter bei sich als erstes einen Abstrich machen, Hänsel ist bei seinem ebenfalls vollkommen entspannt. Los ist auf dem Gelände nicht viel.

Mit dem Zettel, auf dem die Mutter bestätigt hat, dass Hänsel sich in Quarantäne begibt, fahren die beiden heim. Ob das so richtig ist, bezweifeln sie. Zurück fahren sie aber nicht mehr.

Hänsel ist langweilig. So startet er in seinem Zimmer eine Party und zockt, bis auch das keine Freude mehr macht.

Später holt die Mutter Gretel ab und informiert den Kindergarten, dass das Mädchen am nächsten Tag nicht kommen wird. Das ist der Mutter lieber, falls Hänsel tatsächlich positiv sein sollte.

Das Mädchen freut sich, dass sie ausschlafen darf. Hänsel freut sich, dass er ausschlafen darf. Die Mutter freut sich nicht, denn sie hat schon früh einen Termin.

Die Zubereitung des Abendessens übernimmt die Mutter. Dafür räumen die Kinder im Anschluss die Küche auf. Währenddessen öffnet die Mutter bereits ihren Sekt. Wie immer alkoholfrei, wie Hänsel feststellt.

Hektisch räumen die Kinder auf und machen sich bettfertig. Denn nur, wenn sie innerhalb der vorgegebenen Zeit fertig sind, wird noch gemeinsam ein Film geschaut.

Gretel hat sich einen Weihnachtsfilm gewünscht. Der grüne Weihnachtsmuffel, der insgeheim Weihnachten doch liebt, soll es werden.

Mit den Kindern und ihrem Sekt kuschelt sich die Mutter auf die Couch. Noch 86 Minuten, bis die Kinder ins Bett gehen. Noch 87 Minuten, bis dieser komische Tag vorüber ist. Noch etwa 100 Minuten, bis sie die nächste Flasche Sekt öffnen wird.


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