Abends meldet die Mutter ihren Sohn noch in der Schule krank, bevor sie sich und Hänsel für den SARS-COV-2 Test registriert. Schon wieder.

Hänsel kann nicht schlafen, er wechselt zwischen warm und kalt, auch seine Stimme wird immer belegter. Weiteres Fiebermessen ergibt erneut verschiedene Ergebnisse.

Auch Gretel ist noch lange wach. Sie kann erst einschlafen, als ihre Mama neben ihr liegt.

Morgens steht die Mutter als erstes auf. Gretels äußert am Vorabend den Wunsch, früh geweckt zu werden und einen Kakao zu bekommen. Das hat sie bis zum Frühjahr immer getan, seitdem eher selten. So drückt die Mutter morgens nicht nur auf den Knopf zum schwarzen Glück, sondern bereitet auch ihrer Lieblingstochter einen Kakao zu.

Beide Kinder, und ihre Mutter ebenfalls, sind müde. Die trockene heiße Luft im Wohnzimmer macht es nicht besser.

Hänsel hat zwar kein Fieber, aber er sieht fürchterlich aus und klingt ebenso. Gretel ist gesundheitlich fit.

Gemeinsam machen sich die drei auf den Weg. Erst bringen sie Gretel in den Kindergarten und dann spazieren Mutter und Sohn weiter zum Testzentrum. Auf dem Weg dorthin begegnen ihnen zahlreiche Kinder aus Hänsels Klasse. Sie überlegen und kommen zu dem Entschluss, dass das nur bedeuten kann, dass die Klasse in Quarantäne geschickt wurde.

Ein Blick in den Elternchat bestätigt diese Vermutung. Während einige noch sachlich informieren oder nachfragen, jammern andere, dass ihnen das beruflich nun gar nicht in den Kram passt. Bitte was? Die Mutter liest erneut.

Mutter und Hänsel sind fassungslos. Einmal mehr schimpft die Mutter über Elternchats und möchte am liebsten austreten. Es ist Hänsel, der sie beruhigt und sie daran erinnert, dass nicht alle so sind und teilweise wichtige Informationen in diesen Chats geteilt werden.

So ein schlauer Junge!

Im Testzentrum ist nichts los. Schnell sind sie an der Reihe, schnell sind sie auch wieder raus. Hänsel ist nun in doppelter Quarantäne: Die Mutter musste unterschreiben, dass er auf Grund seiner Symptome bis zu einem negativen Testergebnis das Haus nicht mehr verlassen wird.

Auf Grund der positiv-Testung in seiner Klasse wird sich das Gesundheitsamt, ebenfalls mit einer Quarantäneanordnung, an die Familie wenden. Diese wird besagen, dass Hänsel bis zum ersten Weihnachtsfeiertag in Quarantäne zu verbleiben hat. Ein negatives Testergebnis in fünf Tagen kann diese Wartezeit verkürzen.

Der Inzidenzwert des Landkreises liegt inzwischen bei über 225. Ob man da nicht in Quarantäne sicherer als draußen ist, witzeln die beiden sich die Situation erträglich.

Sie gehen auf dem Heimweg noch schnell Frühstück holen. Hänsel wartet draußen, während die Mutter für alle drei den Tagesbedarf beim Bäcker holt. Einkaufen wird sie heute nicht gehen, dafür wartet sie ihr eigenes Testergebnis ab.

Daheim angekommen nimmt sie ihren Sohn fest in den Arm. Sein zurück-Drücken zeigt ihr, dass es genau das ist, was der Junge braucht. Und danach Frühstück und Zocken, während die Mutter noch einiges zu erledigen hat.

Nachmittags, als die Mutter mit Gretel aus dem Kindergarten heimkommt, schläft der Junge. Tief und fest. Für mehrere Stunden. Ihm geht es gar nicht gut. Der Mutter daher auch nicht. Sie mag es überhaupt nicht, eines ihrer Kinder so leiden zu sehen.

Das andere Kind mag es auch nicht sehen. Deswegen schwingt sie ihren Hintern kurzerhand auf die Couch, schaltet den Fernseher ein und sieht sich einen Film an.

Die Mutter tut es ihr gleich. Sie geht offline und wird die Internet-Verbindung nur zu Unterhaltungszwecken in Form von Serien oder Filmen wiederherstellen. Außerdem wird sie sich schon bald mit Gretel zusammen ins Bett legen. Sie hat genug für heute, und wenn sie ehrlich ist, hat sie auch genug für die nächsten Tage. Sie mag nicht mehr. Sie öffnet sich einen Sekt, nimmt die Kinder – erst Gretel, dann Hänsel – in den Arm und lässt die Welt die Welt sein.


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