Vollkommen ohne weihnachtliche Festtagsstimmung wacht die Mutter auch heute in die Ecke gedrängt auf. Ihr Rücken schmerzt, ihre Tochter schläft. Aus Hänsels Zimmer ertönt eine Geschichte.

Wenig später sind alle wach. Nachdem das letzte Adventskalendertürchen geöffnet wurde, machen sich die Kinder daran, die Plätzchen zu verzieren. Mit Marzipan, Schokolade und bunten Streuseln bringen sie ein bisschen Weihnachtsstimmung auf.

Weihnachtlicher wird es nicht, als die Mutter ihren Nachwuchs in die Wanne steckt. Mit der vorsorglichen Bitte, dass die Kinder gewaschen sein, der Fußboden aber trocken bleiben mögen, lassen Hänsel und Gretel ihre Mama allein mit ihrem Kaffee zurück.

Das Ungetüm ist weiterhin laut, so hört die Mutter nur zwischendurch immer mal wieder ein wenig vom Spiel ihrer verrückten, minderjährigen Mitbewohner.

Es ist Weihnachten. Alle Vorbereitungen sind erledigt, die Wohnung sieht aus, als würde eine Horde Vagabunden in ihr hausen und das Ungetüm nervt. Draußen scheint die Sonne und es hat über zehn Grad Außentemperatur. Schon vormittags fährt das erste Blaulicht-Fahrzeug unter dem Balkon der Familie entlang. Nur wenige Minuten später ertönt das zweite Martinshorn. Irgendwie, es ist alles wie immer.

Nachmittags werden die drei zur Schwester der Mutter fahren. Die Kinder freuen sich schon sehr auf ihren Cousin, Gretel erwartet außerdem, dass auch ihre Cousine endlich aus dem Bauch kommen möge.

Die Mutter freut sich auf ein leises Abendessen – zumindest so leise wie es mit drei unausgelasteten Kindern sein kann. Natürlich freut sie sich auch auf ihre Familie.

Hübsch angezogen und vollbepackt mit feinen Sachen machen sich die drei am frühen Nachmittag auf den Weg. Der jährliche Kirchengang zum Krippenspiel wird dieses Jahr durch eine online-Variante ersetzt. Spannend. Aber es funktioniert.

Schnell vergehen die Stunden. Spaziergang im Regen, zahlreiche Geschenke unter dem Weihnachtsbaum und leckeres Essen lassen die Zeit rennen.

Auf dem Heimweg sind die Straßen voll. In fünfzehn Minuten beginnt die Ausgangssperre und es sieht so aus, als würde der halbe Landkreis auf dem Weg nach Hause sein.

Pünktlich schaffen es die drei. Punkt einundzwanzig Uhr schließt Hänsel die Wohnungstür auf, damit die Mutter mitsamt der ganzen abgestaubten Geschenke hineingehen kann.

Gretels Blick unter den eigenen Weihnachtsbaum besagt, dass die Geschenke bei der Tante tatsächlich bereits alle gewesen sind.

Die Mutter schaltet das Ungetüm aus, gemeinsam kuscheln sich die drei auf die Couch und lassen den Abend, den heiligen Abend, ausklingen.


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