Der Wecker klingelt. Genauso schlecht gelaunt, wie sie gestern eingeschlafen ist, wacht die Mutter auf. Sie hat keine Lust. Keine Lust aufzustehen, keine Lust zu arbeiten, keine Lust zu sprechen, keine Lust sich zu bewegen. Sie tut es trotzdem.

An den Rechner gequält checkt sie ihre heutigen Aufgaben. Und möchte sich wieder zu Gretel ins Bett kuscheln.

Stunden später wachen die Kinder auf. Sie haben Hunger. Und die Mutter keine Zeit. Sie muss dem aktuellen Mann in ihrem Leben zuhören wie er erzählt, dass sie schleunigst eine Community-Maske benötigt, wenn sie ab der nächsten Woche noch einkaufen gehen möchte. Weiterhin erzählt er, dass die Beiträge für die geschlossenen Kindergärten für die kommenden drei Monate übernommen werden. War das eine indirekte Kampfansage, dass Gretel auch die nächsten zwölf Wochen nicht in den Kindergarten gehen wird? Zwölf? Plus die bisherigen fünf? Sie ist keine Mathegenie, aber siebzehn Wochen, das weiß auch sie, sind extrem lang. Zumindest, wenn es nicht grade um einen ausgiebigen Urlaub mit den Liebsten geht.

Die Laune der Mutter hat heute keine Chance mehr.

Hänsel wird abgeholt. Seine Schulzeit beginnt. Fröhlich hüpft er die Treppen runter. Im Gepäck sein Schulranzen mit allen Dingen, die er für das väterliche Teaching brauchen wird.

Gretel setzt sich zur Mutter auf den Schoß. Ganz fest umschließen ihre kleinen Arme ihre Mama. Tränen laufen über ihr jogurtverschmiertes Gesicht. Sie vermisst ihre Freundinnen so sehr und möchte endlich wieder mit ihnen spielen. Sie hat Angst, dass sie im Sommer nicht schwimmen gehen kann und ihren Geburtstag alleine feiern muss. Sie vermisst Oma und Opa und möchte so gerne wieder zu ihnen. Und zum Ponyhof und das tolle Labyrinth dort.

Die Mutter hält ihre Tochter fest im Arm. Sie weiß nicht, was sie ihr sagen soll, hat sie doch selbst keine Informationen.

Der Arbeitstag wird kurz darauf für beendet erklärt. Kreative Ideen werden heute sowieso keine mehr kommen.

Die beiden ziehen sich an und brechen zu einem Spaziergang auf. Kalt ist es. Traurig ist es. Sie spazieren an so vielen Spielplätzen vorbei, die Gretel alle bespielen möchte. Irgendwann, wenn sie wieder frei zugänglich sind, verspricht ihre Mutter.

Am See angekommen entdecken sie die Steinschlange, die sie schon lange aufsuchen wollten. Kurz ist sie. Leider vergessen die beiden, passende Steine zu sammeln, um selbst welche zu bemalen. Zu abgelenkt sind sie davon, dass der Biber ein Stück weiter nun hinter einer Absperrung ist. Gretel kann es nicht fassen! Sie wollte unbedingt ihren Biber besuchen und schauen, ob es ihm gut geht. Sie vermisst ihn doch so sehr.

Stattdessen spielt sie ein wenig am Wasser. Die Mutter friert ein bisschen im Wind.

Auf dem Heimweg trägt Gretel mit ihren Gedanken und Aussagen zur Belustigung der Passanten bei.

Zuhause angekommen stellen die beiden fest, dass Hänsel noch nicht zurück ist. Nach einer kurzen Pause bereitet die Mutter das Abendessen vor. Zum Essen selber ist der Junge dann daheim. Mit der ausgeprägtesten schlechten Laune, die sich auf knapp einen Meter vierzig ansammeln kann. Die Mutter ist fast schon beeindruckt. Doch dann sieht sie, dass er hinter seinem ziemlich lang gewordenen Pony heimlich ein kleines Grinsen versteckt.

Als der Junge bemerkt, dass die Mutter ihn anlächelt, fängt er schnell das Zicken an. Er hat keinen Hunger und warum sie überhaupt auf ihn gewartet hätten.

Gretel zickt zurück. Sie hatte einen schönen Tag. Und er soll von seinem Tag erzählen. Mag er aber nicht. Daher verzieht er sich.

Die Mutter hat Schwierigkeiten, die aufgebrachte Gretel von ihrem Bruder fernzuhalten. Das Mädchen muss ihre ich-hab-meinen-Brudi-sooooo-sehr-vermisst-Bekundungen ein wenig zurückhalten.

Die Mutter ärgert sich, dass sie auch heute nicht einkaufen war. Kein Bier mehr da. Dafür viel schlechte Laune im Haus. Dabei war der Nachmittag so schön. Angeblich auch für Hänsel. Aber das vermutet die Mutter nur.

Morgen geht er wieder zum Vater, um seine Aufgaben zu erledigen. Hoffentlich ist er danach besser gelaunt. Jetzt zerlegt er erst einmal die Küche. Gretel macht in ihrem Zimmer Grundschulhelden-Party.

Gleich gehen die Kinder ins Bett. Dann gibt’s Intrigen, Mord und Totschlag. Ohne Bier. Hoffentlich ist die Mutter dann besser gelaunt.




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