Der Tag beginnt viel zu früh. Müde steht die Mutter auf. Sie friert. Erstmal Kaffee.

Wenige Minuten später sitzt sie am Rechner und checkt, was heute alles erledigt werden muss. Eine ganz schöne Menge. Und irgendwie auch nichts, weil ihr zu vielen Dingen noch Informationen fehlen. Für die falls-dir-langweilig-ist-Aufgaben fehlt ihr heute die Muße. Sie bearbeitet ihre Mails, als ihre Chefin anruft. Informationen bleiben ausstehend, da diese noch nicht vorliegen.
Grade als die Mutter ihr erzählt, dass Gretel noch schläft, hebt diese ihren Kopf über die Couch, um mit einem müden Guten Morgen kund zu tun, dass das nicht stimmt.

Auch Hänsel läuft schon durch die Wohnung. Kurze Zeit später startet sein erster Klassenchat. Genervt sitzt der Junge vor dem Handy der Mutter und hört seinen Klassenkameraden beim wilden Durcheinander-Reden zu. Sich beteiligen möchte er nicht. Ganz anders als Gretel. Das Mädchen fühlt sich von dem Videochat magisch angezogen und mutiert zur Entertainerin.

Vorsorglich hat Hänsel schon mal das Mikro stummgeschaltet, was das Mädchen aber nicht abhält, die Viertklässler auf dem Bildschirm anzumotzen.

Die Konzentration der Mutter ist nicht ausgeprägt genug, um während dem Geschrei der aufgeregten Kinder zu arbeiten. Also trinkt sie Bi… Kaffee, sie trinkt Kaffee.

Nach Beendigung des Chats folgt ein Telefonat. Eigentlich sollten die Kinder sich währenddessen anziehen. Sie finden es aber wesentlich amüsanter, in Schlafanzügen den Flur in eine Sprunganlage umzufunktionieren. Alle Kissen der Wohnung, und das sind viele, werden dafür zusammengesucht. Lautstark wird herumgetobt. Anziehen macht keinen Spaß, Zähne geputzt haben sie gestern erst.

Die Mutter beendet das Telefonat. Nach einem dezenten Schreikrampf ihrerseits räumen die Kinder von minimaler Reue geplagt das Chaos wieder auf. Die Erklärung, warum sie im Flur spielen, ist denkbar einfach: Die Kinderzimmer sind nicht aufgeräumt, dort haben sie keinen Platz. Und bislang hat die Mutter nur im Wohnzimmer das Bauen von Höhlen verboten. Immerhin sind sie argumentativ durchaus einfallsreich. Aufräumen müssen sie dennoch.

Sie werden jetzt, von Staatsseite unerlaubterweise, zur Oma verfrachtet. Diese möchte mit den beiden backen. Die Mutter freut sich über vier bis fünf Stunden Ruhe. Leider wird sie mindestens zwei davon zum Arbeiten benötigen. Ein weiteres Date mit Markus steht an.
Doch, anders als die bisherigen, macht ihr dieses Date Hoffnung. Hoffnung auf eine wundervolle Beziehung. Denn er zieht es durchaus in Erwägung, die vierten Klassen in die Jahrgänge, die als erstes wieder in die Schule dürfen, zu inkludieren. Die Liebe der Mutter wäre ihm gewiss. Der Hass Hänsels ebenfalls.

Im Anschluss gönnt sich die Mutter ein wenig Sonne. Laufen war sie nicht, dafür ist es zu warm.

Sie überlegt, ob sie spazieren gehen und dabei ihrem Hörbuch lauschen soll oder ob sie lieber radelt. Bevor sie die Kinder abholt, muss sie auf jeden Fall einkaufen. Schon seit Tagen hat sie weder Sekt noch Bier, das kann so nicht weitergehen.

Es ist das Radl geworden.

Unterwegs hält sie an und setzt sich entspannt in die Sonne. In der Ferne sind hin und wieder Autos oder auch mal ein Martinshorn zu hören. Wenige Menschen kreuzen ihren Weg. Seltsam, denn so abgelegen sitzt sie gar nicht.

Lange wird sie die Ruhe nicht mehr genießen können. Schon bald muss sie die Kinder abholen. Und vorher zum Getränkemarkt.

Alles erledigt, sitzt die Mutter auf dem Balkon. Sie muss die Kinder nicht holen, sie werden gebracht. Praktisch.

Beim Abendessen verschluckt Gretel sich vor lauter Quatsch machen an einer Nudel. Mit hochrotem Kopf und kaum mehr Luft bekommend macht sie Mutter und Bruder, die grade Bilder der Welt anschauen, begreiflich, dass sie das Bild bitte auch sehen möchte. Ihre Priorität ist also klar definiert.

Nach dem Essen räumen die Kinder völlig frei von Motzen und Meckern den Tisch ab, wischen den selbigen und machen der Mutter einen Kaffee, bevor sie das Geschirr spülen. Dabei singen sie „In der Weihnachtsbäckerei“. Warum auch nicht, Ende April. Im Anschluss möchte Gretel gerne „Final countdown“ hören. Gibt’s eben kleines Mädchen zum Frühstück, warum auch nicht.

Wenn sie mit dem Abwasch fertig sind, werden sie einem kleinen Jungen, der bald Geburtstag hat, einen Brief schreiben bzw. ein Bild malen. Solidarität unter Mark-Forster-Fans ist nicht zu unterschätzen. Hoffentlich vergessen sie nicht, es morgen zur Post zu bringen.
Danach geht’s ab ins Bett. Sagt der Plan. Für die Kinder. Die Mutter trinkt Bier. Viel Bier. Sagt der Plan.





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