„Heute ist wieder einer dieser Tage, die ich kaum ertrage.“

Der Wecker klingelt. Die Mutter steht auf. Sie macht Kaffee. Noch fünf Stunden, bis ihr Freund Markus ihr und allen anderen, die es interessiert, erzählt, wie es weitergeht. Hoffentlich.

Die Mutter mag keine Rechenaufgabe mehr. Sie möchte kein x/35+21+y. Sie möchte viel lieber ein t-z. Sie ist aufgeregt.

Nun aber genießt sie erst einmal ihren ersten Kaffee. Noch schlafen die Kinder in ihrer Höhle. Damit ist nicht das Zimmer mit all seinem Chaos gemeint, sondern eine tatsächliche Höhle. Nachdem sie vor einigen Tagen ihre Flur-Unterkunft räumen mussten, haben sie es geschafft, im hänselischen Chaoszimmer noch eine Höhle unterzubringen. Was dort alles verbaut ist, weiß die Mutter ebenso wenig wie irgendetwas über das Fundament. Es ist wahrscheinlich besser so.

Auf jeden Fall wird es gleich eine mega Beschallung geben, in dieser Höhle. Sie trinkt fröhlich ihren Kaffee und überlegt, mit welchem Song sie ihre Kinder aus dem Tiefschlaf reißen wird. Rammstein, Modern Talking oder vielleicht doch Helene Fischer?

Geworden ist es „Erfolg ist kein Glück“ von Kontra K. Es garantiert der Mutter zwar für den restlichen Tag einen Ohrwurm, aber das ist es ihr wert.

Auf Maximal-Lautstärke fängt der hübsche Kerl das Singen an. Schadenfroh steht die Mutter neben dem Lautsprecher inmitten des Prä-Pubertier-Chaos. Gretel wacht auf. Müde und irritiert kommt das Mädchen mit ihrem Panda im Arm auf sie zu. Sie möchte kuscheln. Hänsel hingegen jammert leise weiter in der Höhle liegend vor sich hin. Auch er muss aufstehen. Müde hängen die Kinder an der Mutter. Hilft alles nichts, anziehen ist angesagt. Die Kinder jammern. Die Mutter lächelt diabolisch.

Das wird ein guter Tag. Die Mutter trinkt Kaffee. Hänsel geht heute zu seinem Vater, Schulsachen erledigen. Soll er ihn anmeckern.
Gretel muss heute mit der Mutter zu einem Meeting ins Büro. Soll sie doch dort rummeckern.

Die Mutter trinkt Kaffee.

Und explodiert. Dieses Mal jedoch nicht wegen der Kinder, sondern der Dreistigkeit einer Kollegin. Ihr Herz rast. Sie hat keinen Bock mehr auf diesen Job mitsamt der ganzen inkompetenten Leute.

Dass Gretel während der mütterlichen Explosion Alexa anweist, Schlager zu spielen, beruhigt sie nicht im Ansatz. Dass „ich habe keine Ahnung, aber davon ziemlich viel“ gesungen wird, bringt sie allerdings zum Lächeln. Treffender hätte eine Songzeile nicht sein können. Als das Lied zu Ende ist, versucht Gretel, Alexa das gleiche Lied erneut starten zu lassen. Das Gerät versteht sie nicht, weswegen das Mädchen beginnt, Alexa den Song vorzusingen. An Niedlichkeit kaum zu übertreffen. Den Song spielt sie trotzdem nicht.
Gretel und Alexa lernen zusammen englisch. Wunderbar.

Hänsel ist inzwischen mit seinem Vater in dessen Büro unterwegs.

Gleich beginnt das Date mit Markus. Die Mutter ist aufgeregt. Sie braucht Kaffee.

Eine Stunde später weiß sie Bescheid. Puh. Hänsel darf ab Montag zur Schule gehen. Im wochenweisen Wechsel Präsenzunterricht und Lernen zu Hause, sagt Markus (die Schule wird es später anders entscheiden). Gretel darf in zweieinhalb Wochen wieder in ihre Einrichtung. Eine Woche vor den Ferien (der Kindergarten wird es später anders entscheiden).

Die Mutter ist sich noch nicht sicher, was sie davon halten soll. Während sie noch nachdenkt, klingelt es an der Tür. Eine Erzieherin aus dem Kindergarten, die Muttertagsgeschenke verteilt. Gretel freut sich.

Die beiden müssen los. Beim Radeln erzählt die Mutter ihrer Tochter, dass sie bald wieder in den Kindergarten darf. Die Freude ist grenzenlos. Die Überraschung, dass auch die Spielplätze wieder geöffnet werden, behält die Mutter daher erst einmal für sich.

Das Meeting war für eine Stunde angesetzt. Zweieinhalb sind es geworden. Mit dröhnendem Kopf auf Grund von akutem Sauerstoffmangel wegen der dauerhaft getragenen Maske verlässt die Mutter das Büro. Gretel war super. Sie hat die Chefin mit gemalten Bildern versorgt und war auch ansonsten lieb und brav. Die Mutter ist sehr stolz auf sie.

Nach dem Ausflug ins Büro müssen die beiden noch einkaufen. Auf dem Weg dorthin fragt Gretel ihre Mutter fordernd, warum sie eigentlich nicht Prinz Charming heiratet. Wie kommt das Kind denn nun schon wieder auf so eine Idee? Sie ist traurig, als die Mutter ihr sagt, dass sie weder Prinz Charming noch irgendjemand anderes heiraten wird. Für Zac Efron würde sie aber vielleicht eine Ausnahme machen. Das Mädchen erinnert sich an den Mann auf allen drei Bildschirmen im Büro. Das geht klar für sie.

Als sie heimkommen braucht die Mutter erst einmal ein Bier. Nebenbei öffnet sie die Post. Der lang ersehnte Brief ist endlich da! Die beiden freuen sich sehr, der Platz in der gewünschten Einrichtung für Gretel im nächsten Schuljahr ist bestätigt. Zur Feier des Tages gibt es nachher Bier. Und Pizza.

Hänsel hat sich noch nicht gemeldet, wann er daheim sein wird. Ob er schon weiß, dass sein Studentenleben ab nächster Woche vorbei sein wird? Wahrscheinlich nicht. Ob er erfreut sein wird, wenn die Mutter es ihm später erzählen wird? Wahrscheinlich nicht.

Die Mutter macht Pizza. Und freut sich aufs Bier.





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