Der Vorabend lief anders als geplant.

Rückblick: Als die Pizza fertig ist, kommt Hänsel heim. Die Kinder nehmen ihre Teller und verschwinden im Prä-Pubertier-Chaos. Dazu gibt’s einen Film für die beiden und Ruhe für die Mutter. Nach dem Film sollen die Kinder schlafen. Sehen sie jedoch nicht ein. Auch mit Erpressungsversuchen kommt die Mutter nicht zum Ziel. Wahrscheinlich ist Hänsel bewusst, dass die Mutter am nächsten Tag frei hat und sie daher nicht wieder im Morgengrauen die Alexa nötigen wird, die Kinder zu wecken.

Gretel steht, zum wiederholten Mal, tränenüberströmt vor ihrer Mutter. Erst haben sie und Hänsel sich gestritten, dann war ihre Decke spurlos verschwunden und zu guter Letzt kann sie weder bei Hänsel noch in ihrem Zimmer so gemütlich schlafen wie bei der Mutter. Entkräftet und sich nach Ruhe sehnend stimmt die Mutter dem Wunsch ihrer Tochter zu. Innerhalb weniger Augenblicke schläft die Kleine ein. Auch aus dem Kinderzimmer ist nichts mehr zu hören. Lediglich die Mutter möchte nicht so recht schlafen, jetzt, wo es so schön ruhig ist. Tut es aber dennoch. Irgendwann.

Die Mädels wachen fast zeitgleich auf. Sie kuscheln eine Weile. Anschließend schauen sie nach Urlaubsmöglichkeiten. Gretel würde soooo gerne auf den Ponyhof. Die Mutter nicht. Gretel hätte sooooo gerne ein Wohnmobil. Die Mutter nicht. Sie einigen sich, dass sie bald mal einen kurzen Campingurlaub machen. Vielleicht sogar schon sehr bald. Da der gebuchte Urlaub storniert und eine adäquate Alternative nicht möglich ist, überlegt die Mutter tatsächlich, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.

Plötzlich möchte Gretel von Alexa wissen, wo Corona überall schon war. Sie ist entsetzt, wie viele Menschen betroffen sind und bekundet ihr Mitleid für die Verstorbenen.

Die Mutter muss Hänsel wecken. Völlig ohne Mitleid. Seine tägliche Konferenz steht an. Ihr graut es vor der Laune. Gretel bietet ihr an, das Wecken für sie zu übernehmen. Erst brüllt sie einige Male lautstark ins Prä-Pubertier-Chaos. Als keinerlei Reaktion kommt, steht sie auf und stapft ins Hänsel-Zimmer. Immer noch keine Reaktion.

Sie möchte frühstücken. Dabei stellt sie fest, dass Hänsel sein gestriges Essen auf ihrem Lernbuch abgestellt hat. Sie wird zum Rumpelstilzchen.

Da Hänsel immer noch nicht zu sehen ist, mutiert die Mutter zum Schlagerfan. In der Playlist findet sie Gretels „keine Ahnung“ – Song von gestern. Auf voller Lautstärke streamt sie es ins Kinderzimmer. Immer noch keine Reaktion, der Junge stellt sich tot. Bei dem Song nicht seine schlechteste Idee.

Als er seine Mutter dann allerdings in seinem Chaos stehen sieht, kriecht er aus seiner Höhle heraus. Seine gute Laune ist nicht auffindbar.

Gretel kocht der Mutter einen Kaffee. Einen doppelten. So ein gutes Kind.

Die drei besprechen den Tagesplan. Hänsel fährt nach der Videokonferenz mit seinem Vater ins Büro. Seine Tochter möchte der Vater nicht sehen.

Gretel hat aber auch keine Lust, schon wieder mit der Mutter radeln zu müssen. Sie möchte lieber zur Oma. Sie fragt. Sie darf.

So kommt es, dass die Mutter mit einem Menschen unterwegs, den sie in den letzten Wochen sehr vernachlässigt hat. Sie radelt durch die Stadt, über Felder bis hin zum Wald. Letztendlich landet sie wieder an einem See.

Sie ist sehr glücklich, dass sie den Zugang zu diesem Menschen nicht verloren hat und dass ihr die Vernachlässigung verziehen wird. In der nächsten Zeit muss zwingend wieder mehr Zeit mit diesem Menschen verbracht werden. Pläne werden geschmiedet. Sie fühlt sich gut.

Am See sitzend und die Sonne genießend denkt sie über den restlichen Tag nach. Sie hat bis heute Abend noch einen Auftrag zu erledigen. Thema ist spannend, Lust dennoch nicht vorhanden. Sie ist müde, hat aber auch noch einige Kilometer Heimweg vor sich. Vielleicht steigern diese die Motivation.

Mit schmerzenden Beinen öffnet sich die Mutter wieder daheim ein Bier. Gretel möchte mit Oma und Opa Abendessen, Hänsel ist auch noch unterwegs. Sie startet den Laptop und beginnt mit der Arbeit. Sie holt sich noch ein Bier.

Hänsel kommt heim, erschrickt sie, hat Spaß daran und macht Pizza. Der Junge ist fröhlich. Das freut die Mutter sehr. Hält aber nicht lange an.

Als auch Gretel wieder Zuhause ist, gibt’s Pizza. Die beiden Kinder zicken sich gegenseitig an, nerven ihre Großeltern per Videochat und übertrumpfen sich gegenseitig mit deine-Mutter-Witzen. Sie fühlen sich auf dünnem Eis offenbar wohl. Das Ganze gipfelt letztlich mit Pizza im Gesicht von Gretel. Das Mädchen wollte ihrem Bruder ein Küsschen geben, er hatte kein Bock drauf. Zack, hat er ihr die Pizza ins Gesicht geklatscht.

Liebe ist etwas wunderbares. Das Glück der Mutter ist kaum in Worte zu fassen. Aber in ein Glas zu einzuschenken. Bier Nummer drei wird geöffnet.





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