Anfangs war Susi sehr angetan von der neuen Betreuungsmöglichkeit für ihr Kind. Recht spontan, zumindest zu spontan für die Kindergartensuche, ist sie im vergangenen Jahr in eine andere Stadt umgezogen. In nur wenigen Wochen hat sie eine Wohnung und einen Kindergarten-Platz gefunden, ihren Job kann sie von überall ausführen.

Mit der Eingewöhnung läuft alles super. Da die Termine schon vergeben waren, ihre Dringlichkeit aber wahrgenommen wurde, dürfen sie – dürfen das Kind und sie – sich nachmittags an die neue Einrichtung gewöhnen. Alles läuft wunderbar. Das Kind geht gerne in den Kindergarten und Susi ist froh, in Ruhe arbeiten zu können, während das Kind gut betreut ist.

Tatkräftige Unterstützung

Auf Grund dieses positiven Gefühls lässt sie sich in den Elternbereit wählen. Sie hat nicht wirklich Zeit für verantwortungsvolle Aufgaben, doch möchte sie die positive Energie, die ihr kurz nach ihrem Umzug entgegengebracht wurde, gerne wieder zurückgeben.

Die Wochen ziehen ins Land. Susis Hilfe wird immer wieder (gerne) in Anspruch genommen.

Die ersten Überzeugungen „Wir erzählen den Eltern immer, wie der Tag gelaufen ist.“, „Kabbeleien sind normal, wenn aber einmal ein Kratzer oder ähnliches vorkommt, geben wir den Eltern beim Abholen ungefragt Bescheid.“ oder „Uns ist es wichtig, dass die Eltern ein gutes Gefühl haben, wenn sie ihre Kinder bei uns in die Betreuung geben.“ bröckeln.

Privatleben vor Job

Es wird immer mehr miteinander geschnattert, anstatt auf die Kinder aufzupassen. Die Praktikantin wird mit der Aufsicht aller Kinder betraut, während die Erzieherin als Leitung der Gruppe und die Kinderpflegerin Geschichten des letzten Wochenendes austauschen. Dabei wollen sie offensichtlich nicht gestört werden.

Ärgerlich, aber vielleicht in einem gewissen Maße noch menschlich. Überheblich könnte man werden und behaupten, dass man eben keine Anfang-Zwanzigjährigen eine solche Verantwortung übertragen darf. Die Praktikantin allerdings, noch jünger, macht einen sehr guten Job. Argument also selber entkräftet.

Doch soll das noch längst nicht alles sein.

Immer wieder holt Susi ihr Kind aus dem Kindergarten ab, ohne jegliche Information der Erzieherinnen. Immer wieder erfährt sie zufällig zu Hause, dass ihr Kleinkind Bisswunden oder blaue Flecke aufweist. Nicht behandlungsbedürftig, aber auch nicht erwähnt.

Auf Nachfrage ist die Antwort stets die gleiche „Ich weiß es nicht, wie das passiert ist, ich war nicht dabei.“. Hm, wer war denn dann dabei, wenn die beiden, in deren Verantwortung Susi das Leben ihres einzigen Kindes gibt, es nicht waren?

It must be magic

Erschreckend, dass weder die Situation ein Einzelfall ist noch Susi der einzige Elternteil, deren Kind betroffen ist.

Auf Nachfrage einer besorgten Mutter, die zufällig ebenfalls ein Teil des Elternbeirats ist, wird der gesamte Elternbeirat einzeln angepampt, dass sie eines der Kinder mobben würden.

Susi ist entsetzt!

Aber sie versucht, darüber ebenso hinweg zu sehen wie über die Tatsache, dass die besorgte Nachfrage der anderen Mutter nicht als die Besorgnis einer Mutter, sondern als Aggression und Mobbing des Elternbeirates gegenüber einem Zweijährigen hingestellt worden ist.

Hat Susi als Mitglied im Elternbereit das Recht verwirkt, eine Mutter zu sein, die sich nur ganz allein für ihr Kind interessiert und sich nach dessen Wohlbefinden und Gegebenheiten während des Kindergarten-Tages erkundigt?

Die Krönung wird dem ganzen aufgesetzt, als immer wieder Sachen von ihrem Kind verschwinden. Auch da fragt sie nach. Die wenig überraschende Antwort lautet „Da kann ich nichts zu sagen, ich war nicht da.“.

Herzlichen Glückwunsch!

Im Laufe der Diskussion, die seitens der professionellen Kinderbetreuerinnen leider sehr schnell zu einem Streit geworden ist, wird immer wieder erwähnt, dass es wichtiger sei, dass es den Kindern gut geht als dass auf die Sachen aufgepasst wird. Bedeutet das im Umkehrschluss nicht auch, dass wenn ein Kind eine dieser Sachen benötigt, die Sache an sich aber unwichtig ist, dass dann automatisch das Kind und vor allem dessen Bedürfnisse unwichtig werden?

Die Eskalation

Susi ist traurig. So sehr hat sie sich in den Erzieherinnen in diesem Kindergarten getäuscht. Wie sehr, wird sie aber erst noch erfahren.

Sie holt ihr Kind ab. Eine aufgeregte Mutter steht weinend in der Garderobe. Völlig aufgelöst versucht sie, Susi zu erzählen, was passiert ist:

Ihr Kind, ebenfalls erst zwei Jahre alt, lief heute allein aus der Kindergartentür. Die Kinder sollten in den Garten gehen. Dafür müssen die Kleinkinder aus der Tür des Kindergartens hinaus, ein kleines Stück über den Parkplatz des Gebäudekomplexes gehen und kommen nach etwa 20 Sekunden am Gartentor an.

Heute jedoch wurden die Kleinkinder allein losgeschickt. Die Praktikantin musste im Büro noch etwas erledigen, die beiden Fachkräfte hatten sich allerdings auf das noch nicht einmal volljährige Mädchen verlassen.

So passiert es, dass der kleine Junge der anderen Mutter genau in dem Moment auf die Straße läuft, als diese ihr Kind – zu einem eher unüblichen Zeitpunkt – abholen möchte. Die Antwort auf die Frage, wie das denn passieren konnte, lautet schlicht und einfach „Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei.“

Nach einem Gespräch mit der Kita-Leitung, den restlichen Elternbeiratsmitgliedern und der betroffenen Mutter fährt Susi nach Hause. Sie kündigt den Kindergartenplatz. Fristlos. Dafür soll sie einen Grund angeben. Das kann sie aber nicht, sie war nicht dabei.

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