Manchmal, wenn man denkt, dass Dinge sich nach Jahren geändert haben und Menschen anfangen könnten, sich um ihre Kinder zu kümmern, diese vielleicht sogar endlich in den Fokus rücken – etwa indem es in der neuen Wohnung ein eigenes Zimmer für sie geben wird – schreit jemand so laut und aggressiv, dass man schnell wieder in die Realität zurückkommt.

Die gestrige Frage der Mutter an Hänsel ist einfach: „Wisst ihr schon, wann ihr morgen hier sein werdet?“. Einfach, knapp und simpel.
Die Antwort lautet: „Wann wir wieder zuhause sein werden, wissen wir nicht, aber wir bekommen ein Geschwisterchen.“

Bämm. Da ist sie also wieder, die Realität. Die Mutter ist wenig überrascht. Schon lange ist sie davon ausgegangen, dass die Kinder früher oder später ersetzt werden.
Der Vater hat das Kinderzimmer in der neuen Wohnung also nicht für Hänsel und Gretel eingeplant, sondern für ein weiteres Kind. Das hätte sie sich denken können, wenn auch ein kleiner Teil in ihr hoffte, dass der Vater endlich aufgewacht sei.

Die Mutter wünscht diesem Baby inständig, dass es einen Vater kennenlernen wird, der ganz anders ist als der Vater ihrer Kinder. Dass es einen Papa haben wird, der diese Bezeichnung auch verdient. Wohlwissend, dass dieses Verhalten ihren Kindern das Herz brechen würde.

In der Sprachnachricht klingen die beiden wenig interessiert, aber fröhlich. Ob sie wissen, dass sie schon in wenigen Monaten auf dem Abstellgleis landen werden, bezweifelt die Mutter.

Sie freut sich auf ihre zwei Goldstücke und geht schlafen.

Morgens wacht sie mit der Information auf, dass die Abfahrt für etwa elf Uhr angedacht ist. Zum Abendessen also wird sie ihre Babys wieder in die Arme nehmen können. Endlich. Sie lächelt.

Spontan beschließt sie, zum See zu fahren. Ihren Sohn bittet sie daher, sie über die voraussichtliche Ankunftszeit auf dem Laufenden zu halten. Schon vor Fahrtbeginn ist es, auf Grund der typischen Pünktlichkeit eines Mitreisenden, bereits x plus eine Stunde. Die Mutter wird also einen entspannten Tag am See genießen können. Einen langen, entspannten Tag.

Als sie nach Hause kommt, warten die Kinder bereits im Hausflur. Nach einer freudigen Begrüßung auf fast allen Seiten möchte die Mutter noch kurz mit dem Vater sprechen. Das Gespräch ist kurz vor der Eskalation, als die Mutter sich umdreht und geht. Sie hat keine Lust sich mit dem Menschen zu streiten, der ihre Kinder und deren Anwesenheit nicht zu schätzen weiß.

Viel lieber möchte sie den Abend mit den beiden genießen. Sie reden eine Weile auf dem Balkon sitzend, bis die Kinder den Wunsch nach Kuschelkino äußern. Jedes Kind möchte in einen Arm. Das Mutterherz hüpft vor Freude, als sie sich mit ihren beiden Goldstücken auf die Couch kuschelt. Fernseher an, Welt aus.

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