Da für die Mutter nur eine TelKo ansteht, hat sie den Wecker entsprechend spät gestellt. Aus einem Traum gerissen, den sie gerne weitergeträumt hätte, steht sie völlig gerädert auf. Erstmal Kaffee.

Sie startet den Laptop, nur um zu erfahren, dass der Termin sich erneut verschieben wird. So viel zu nur eine Stunde arbeiten heute. Also ruft sie ihre Chefin hat, die ebenfalls um Rückruf gebeten hatte. Das Telefonat verläuft überraschend positiv und auch das andere Gespräch findet in verkürzter Version noch statt. Nach neunzig Minuten beendet sie in ihren Arbeitstag und startet in mindestens fünf freie Tage.

Da sie ihrem Sohn gegenüber schon wieder die Dreistigkeit besessen hat und Wörter wie Aufräumen und Schulsachen erwähnte, ist die Laune nicht bei allen positiv.

Macht nix. Die Mutter zieht sich ihre Schuhe an und geht laufen. Allein. Hänsel und Gretel bleiben meckernd und putzend zurück.
Der Lauf ist langsam, aber sehr erholsam.

Sie schließt die Wohnungstür auf. Fröhlich mit einem Pinsel den Schuhschrank putzend wird sie von Gretel begrüßt. Und einer heftigen Parfümwolke. Obwohl sowohl die Wohnung als auch Gretel übertrieben intensiv nach Kenzo riechen, weiß niemand, wo der Duft herkommt.

Die Mutter macht sich einen Kaffee und verschwindet nach einem Blick ins Hänselzimmer auf den Balkon. Das Zimmer sieht noch genauso aus wie vor einer halben Stunde. So wie Gretel das mit dem Parfüm nicht war, so beteuert Hänsel, die halbe Stunde sein Zimmer aufgeräumt zu haben.

Wie schön es doch ist, dass die Kinder den Ehrlichkeitstick der Mutter übernommen haben. Nicht.

Die Mutter brutzelt sich selber in der Sonne, in der Hoffnung, nachmittags mit beiden Kindern eine Runde aufs Radl zu können. Es sieht allerdings mehr danach aus, dass Hänsel sich wieder ausklinken möchte.

Aber Gretel hat da andere Pläne. Sie möchte, dass sowohl Hänsel als auch ihre neue Liebe mitkommen. Also packt sie kurzerhand ihren Bruder und Prinz Charming ein und es wird geradelt. Quer durch den Wald. Die Hoffnung der Mutter wächst. Allerdings haben es auch dieses Mal alle Kinder wieder herausgeschafft. Die Hoffnung der Mutter stirbt. Auch, dass die Mutter die Kinder, wenn sie sie schon nicht im Wald aussetzen kann, gerne wenigstens anderweitig verschenkt hätte, interessiert niemanden. Außer Gretel. Sie würde so gerne bei Prinz Charming wohnen. Darf sie aber nicht. Notgedrungen nimmt die Mutter beide Kinder später wieder mit nach Hause.

Aber davor gab es noch ein Eis. Und eine Liebeserklärung von Gretel. Die galt überraschender Weise nicht dem Eis oder einem anderen zuckerhaltigem Lebensmittel, auch nicht Bruder oder Mutter, sondern Prinz Charming. Es wird kräftig gekuschelt. Prinz Charming genießt es offensichtlich ebenso wie Gretel.

Irgendwann muss sich das Mädchen jedoch trennen und nach Hause radeln. So weit ist es noch. Und Hänsel fährt viel zu schnell. Aber die Blumen dort, die müssen alle genauestens betrachtet werden. Vielleicht kommen die drei noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause an.

Es ist noch hell, aber dennoch spät, als sie die Wohnung betreten. Gretel ist traurig, weil sie die Fahrräder heute nicht mehr putzen darf. Ob sie wenigstens mit Hänsel kochen dürfe, nachdem sie der Mutter ein Bier geöffnet hat. Die Mutter ist so freundlich und bejaht den töchterlichen Wunsch. Sie freut sich, dass die Kinder nach einem laaaaangen Abendessen, zu dem sie alle Märchen, die sie kennen, aufzählen und erzählen, endlich ins Bett gehen.


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