Als der Wecker klingelt, spürt es die Mutter erst leicht. Später, nachdem sie aufgestanden ist, wird es deutlicher: Neben den seit einigen Tagen bestehenden Kopfschmerzen hat sich nun auch ein Schmerz im Hals gesellt. Die Nase läuft ein wenig, Folge ist häufiges Niesen. Das wiederum ist weder den Kopf- noch Halsschmerzen zuträglich.

Selbst der Kaffee schmeckt ihr nicht. Er kratzt im Hals, so dass sie ihn stehen lässt. Ihre Augen können sich nur schwer auf einen Punkt konzentrieren, was sich erst im Laufe des Tages ändern wird.

Das kann doch nicht wahr sein! Jetzt, wo es in so greifbarer Nähe ist, wenigstens ein paar Stunden für sich ganz allein zu haben, wird sie krank? Die Frau ist fassungslos.

Die frische Luft auf dem Weg zum Kindergarten tut ihr gut. Der Regen weniger. Auch als sie wieder zurück ist, schmeckt der Kaffee nicht.

So sitzen sich die Mutter, fröstelnd und trotz Medikamenten kopfschmerzend, und ihr Sohn, hustend, gegenüber. An konzentriertes Arbeiten ist auf Grund ihres Kopfes nicht zu denken, stolz auf die sehr gute Note für die kreative Hausaufgabe ihres Sohnes aber kann sie sein.

In ihrem Postfach befindet sich eine Mail der Schule. Die Erlaubnis, dass Hänsel am Freitag allein zum Testzentrum darf. Der Junge aber wünscht sich, dass seine Mutter mitkommt. Außerdem ist er durch seinen Husten nicht symptomfrei und wird daher lediglich in der Früh einen Abstrich machen dürfen. Also stehen sie am letzten Arbeitstag der Woche alle ein wenig früher auf, noch früher als sonst, bringen Gretel mit dem Auto in den Kindergarten und fahren anschließend weiter zum Testzentrum.

Gretel freut sich, Hänsel und die Mutter hoffen, dass sie rechtzeitig zu Schulbeginn wieder zurück sein werden.

Es geht also wieder los, mit dem Testen. Denn mit Symptomen darf der Junge nicht am Präsenzunterricht teilnehmen. Es werden erneut zahlreiche Unterrichtsstunden auf Grund typischer Kinderkrankheiten ausfallen, da sind Mutter und Sohn sich einig. Gespannt verfolgen sie daher den Inzidenzwert. Ab 100 im Landkreis wird es wieder Distanzunterricht geben. Allerdings ist dann auch Gretel zuhause.

Es geht eine weitere Nachricht ein. Diese besagt, dass Kindergartenkinder schon mit leichten Erkältungssymptomen nur dann in die Einrichtung dürfen, wenn sie einen negativen Sars-Cov-2-Test vorlegen können. Die Mutter sieht ihre Tochter die nächsten Wochen der Erkältungszeit halb zuhause, halb im Testzentrum. Begeisterung sieht anders aus.

Es ist Zeit, Gretel abzuholen. Hänsel kommt mit und gemeinsam gehen sie eine kleine Runde spazieren. Kurz auf dem Spielplatz Halt gemacht machen sie sich auf den Heimweg. Der Wind ist kalt, Hänsel hustet, die Mutter hat weiterhin Kopfschmerzen und die kleinen Schniefnase Gretel darf sich unter keinen Umständen noch mehr erkälten.

Daheim angekommen ist daher klar: es muss ein Kuchen her. Eigentlich ist die Fastenzeit bei der Familie immer zuckerfrei, aber heute hält die Mutter die Ausnahme für notwendig. Ein einfacher Schoko-Kirsch-Kuchen soll es werden.

Hansel sitzt unterdessen erneut am Rechner der Mutter. Eine weitere Hausaufgabe möchte er mit dem liebsten Bildverarbeitungsprogramm seiner Mutter erstellen.

Einmal mehr wird der Frau deutlich, wie ähnlich ihr ihr Sohn in so vielen Dingen ist. Gleichermaßen glücklich und stolz sieht sie ihm zu, wie er sein Referat für den Biologie-Unterricht vorbereitet. Gretel beglückt ihre Großeltern in der Zwischenzeit mit zahlreichen GiFs und Stickern.

Die Mutter schmunzelt. Wenn sie leidet, dürfen die Großeltern auch ein wenig leiden. Die anderen Großeltern erhalten von der Mutter zahlreiche Dateien, die sie am Montag benötigen wird, damit ihre Kinder in Kindergarten und Schule gehen dürfen.

Hänsel sieht seine Mutter an. Ob sie nicht einfach ihre Sachen packen und in ihre liebste Urlaubsregion fahren können. Dort mieten sie ein Haus am See, inmitten der Berge und kommen erst wieder zurück, wenn der ganze Spuk vorbei ist. So sehr sie ihrem Sohn diesen Wunsch auch erfüllen würde, so bestimmt muss sie ablehnen. In Gedanken aber packt sie ihre Sachen.


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