Der Tag beginnt erneut mit Kuscheln. Gretel wacht auf, fragt nach ihrer Mama und diese nimmt sie in den Arm. Es wird geknutscht und es wird gekuschelt. Alexa beauftragt Hänsel, ebenfalls zu den Mädels zu kommen, damit vollständig weiter geknutscht und gekuschelt werden kann.

Hänsel bringt der Mutter einen leckeren leckeren Kaffee. Gretel möchte auch einen. Sie soll erst einmal bei der Mutter probieren. Tut sie. Anschließend möchte sie keinen mehr.

Die Mutter erzählt von der ersten Kaffee-Erfahrung ihres Sohnes: Auch er wollte, etwa im gleichen Alter wie Gretel jetzt, unbedingt einen Kaffee. Bedingt durch die Stillzeit hatte die Mutter koffeinfreien im Haus, den sie ihm zubereitete. Er probierte. Er behauptete, es sei sooooooo lecker. Sein Gesicht verriet, wie eklig er es tatsächlich fand. Gretel lacht. Hänsel lacht. Die Mutter soll die Geschichte ein weiteres Mal erzählen.

Gretel sieht zu ihrer Mutter und teilt ihr mit, dass sie ein Depp sei. Die Mutter möchte gerne den Grund dafür erfahren. Gretel blickt ihr tief in die Augen und fragt, ob sie Hänsel sei. Die Mutter verneint. Gretel dreht sich um, schaut Hänsel an und verkündet „Dann bist du ein Depp!“. Sie lacht. Die Mutter schmunzelt. Hänsel reagiert mit einem aussagekräftigen „Hey!“. Alle drei lachen.

Gretel möchte weiterkuscheln. Das ist dem Prä-Pubertier zu viel. Es geht zurück in sein Zimmer.

Als auch Gretel fertig mit Kuscheln ist, möchte sie ihrem Vater eine Überraschung basteln. Wenn sie bei ihm ist, möchte sie ihrer Mutter etwas malen. Die Mutter freut sich.

Und ist genervt. Denn wie immer ist der Vater nicht mit einer Silbe auf die Kinder eingegangen. Auch ist seine Aussage „Ich hole euch ab.“ wenig informativ, was den Zeitpunkt betrifft. Respektbefreit wird er erwarten, dass sie dennoch spontan parat stehen, wenn er kurz vor seiner Ankunft eben diese verkünden wird.

Die Mutter kennt das Spiel bereits. Die Kinder lernen es erst kennen, spielen es aber gut. Denn ihnen ist es egal, wann der Vater kommt.

Sie spielen fröhlich mit Zaubersand auf dem Balkon und warten, bis der Grießbrei fertig ist. Danach wollen sie raus.

Nach dem Frühstück, sie waren alle drei gut gelaunt und haben Quatsch gemacht, sollen die Kinder wie immer die Küche in Ordnung bringen. Wie so oft tickt Hänsel aus. Er schmeißt mit Geschirr um sich und jammert mitleidig, als die Mutter ihn das Chaos in ihrer Küche alleine wieder beseitigen lässt. Der Teller, den er zerdeppert hat, sei ihm auf den Fuß gefallen, die Mutter soll gefälligst Mitleid haben. Hat sie, aber nicht in diesem Moment. Wenn er schon Geschirr zerhaut, sollte er wenigstens drauf achten, sich nicht selber damit zu verletzen.

Genervt verlässt sie die Küche. Wütend erledigt Hänsel im Schneckentempo den Abwasch. Er wird mit den fünfzehn Teilen noch eine Stunde später beschäftigt sein.

Gretel räumt indes den Zaubersand, den die Kinder auf dem gesamten Balkon verteilt haben, auf und wischt auf eigenen Wunsch die Garderobe. Anschließend spielt sie.

Von der fröhlichen Gelassenheit des Vormittags ist nichts mehr zu spüren. Der Vater meldet sich weiterhin nicht, wann er gedenkt, seine Kinder abzuholen. Macht nichts, ist ja erst früher Nachmittag.

Die Mädels gehen eine Runde raus. Gretel möchte skaten, die Mutter sich bewegen, Hänsel seine Ruhe.

Als die beiden schon auf dem Rückweg sind, fängt es zu regnen an. Ein netter Herr hält mit seinem Auto neben ihnen und fragt, ob er die beiden heimfahren soll. Dankend lehnt die Mutter ab. Sie fährt nicht bei Fremden mit. Das erklärt sie auch ihrer Tochter.

Wenige Minuten später kommt der Wolkenbruch. Innerhalb weniger Sekunden sind die beiden bis auf die Knochen nass. Von Hänsel kommt eine Sprachnachricht, ob er schon mal etwas warmes zu Essen vorbereiten solle, er geht davon aus, dass die beiden es brauchen könnten. Guter Junge. Kommt nachher für diese freche Nachricht in den Ofen.

Wieder daheim ziehen sich die Mädels trockene Sachen an. Anschließend bekommt Gretel einen Kinderpunsch, die Mutter einen Kaffee.

Die Kinder möchten backen. Gibt’s eben Kuchen zum Abendessen. Der Vater hat sich immer noch nicht zu einer Abholzeit geäußert. Hänsel ist sich auch nicht mehr sicher, ob er überhaupt noch zu ihm möchte, falls er sich noch melden sollte. Er ist sehr enttäuscht.

Die Kinder backen. Einen dreifachen Kuchen. Hänsel hat es gut gemeint und wollte drei Portionen zubereiten. Er hat nicht gewusst, dass im Rezept eine Portion für einen ganzen Kuchen steht.

Hänsel sieht auf sein Handy. Der Vater hat vor zwanzig Minuten eine Nachricht geschickt. Dass er sich in zwanzig Minuten auf den Weg machen wird. Hänsel und seine Mutter sind genervt.

Die Mutter erhält keine Nachricht. Weder jetzt noch später. Sie hätte große Lust, den Vater vor verschlossener Tür stehen zu lassen.

Hänsel nimmt das in die Hand. Er antwortet seinem Vater, dass er es kac*e findet, wie respektlos dieser mit seiner Zeit umgeht. Seine Schwester und er backen jetzt einen Kuchen und wollen nicht abgeholt werden.

Der Junge wird groß. Noch vor wenigen Wochen hätte er sich das nicht getraut. Da mussten solche Ansagen von Gretel kommen.

Die Mutter ist sehr traurig, dass derartige Ansagen überhaupt und immer wieder erforderlich sind. Doch sie ist sehr stolz auf Hänsel, dass er es sich nicht mehr gefallen lässt.

Die Kinder backen fröhlich weiter. Sie hören Tim Bendzko, singen sein „Hoch“ lautstark mit und freuen sich ihres Lebens. Danach toben alle drei auf der Couch und die Kinder prügeln sich, wer die Mutter am meisten knutschen darf.

Als sie mit Raufen fertig sind, informiert Hänsel seinen Vater, wann dieser zum Abholen kommen darf. Ein Wort der Entschuldigung oder gar Einsicht seitens des Erwachsenen erfolgt nicht. Das Kind ist traurig. Seine Schwester aber beschützt er – sie soll noch nicht wissen, wie doof das Verhalten von ihrem Vater ist. Er ist ein toller Junge.

Der Kuchen ist bald fertig. Die Kinder haben den Schokoteil vom Marmorkuchen vergessen, wie sie nun feststellen. Macht nichts, schmeckt auch so. Allen dreien.

Mit dem restlichen Kuchen lassen die Kinder ihre Mutter alleine. Wenn das mal kein Fehler war. Es regnet weiterhin, die Wohnung wird sie heute nicht mehr verlassen. Morgen kommen die Kinder erst abends zurück. Vielleicht, aber nur ganz vielleicht, ist dann noch ein kleines Stückchen vom Kuchen für die beiden da.

Die Mutter schließt die Tür hinter ihren Kindern. Sie liebt die beiden sehr, freut sich aber nun auf einen Abend in völliger Stille und Einsamkeit. Sie kann alle Filme sehen, die sie sehen möchte. Ganz ohne Rücksicht darauf, ob eines der Kinder ins Wohnzimmer kommt. Sie kann ganz viele Filme sehen, weil sie morgen ausschlafen kann. Sie freut sich morgen auf Sport – ob Radeln oder Wandern hat sie noch nicht final entschieden. Die Kinder freuen sich auf vierundzwanzig Stunden mit ihrem Vater – der es tunlichst vermeiden wollte, der Mutter gegenüber zu treten.

Die Mutter öffnet sich ein Bier. Das erste von einigen.





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